AfD-Anfrage Covid-Migranten // dk – Stellungnahme
Hallo Herr Hasse,
In einer Anfrage hat die Partei „Alternative für Deutschland“ interessiert, wie hoch der Anteil an Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund in den Intensivstationen zur Behandlung von Covid-19 ist. Intensive Gespräche mit den migrantischen Verbänden vor Ort und meine eigenen Recherchen haben mich zu nachfolgenden Erkenntnissen geführt.
Zahlreiche Studien, darunter auch eine umfangreiche europaweite der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), haben eine Kausalität zwischen prekären Lebensverhältnissen und einem erhöhten Infektionsrisiko an Corona festgestellt.
Wer zuvor schon einkommensschwach war, leidet in der Pandemie noch mehr an finanziellen Einbußen. Menschen mit Einwanderungsgeschichte haben dabei fast doppelt so häufig (15%) finanzielle Schwierigkeiten als solche ohne (8%). Generell kann gesagt werden, dass Corona-Infektionen dort häufiger auftreten, wo Menschen in schlechterer sozialer Lage wohnen. Die Pandemie verschärft also bereits bestehende Ungleichheiten und Missstände noch weiter.
Darüber hinaus arbeiten viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte im Dienstleistungs- und Pflegebereich als medizinisches Fach- und Pflegepersonal und sind deshalb dem Virus an vorderster Front ausgeliefert. Das Arbeiten von Zuhause aus ist somit praktisch ausgeschlossen.
Dies wiederum sind die resultierenden Symptome von manifesten Strukturen in wichtigen Lebensbereichen wie der Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, Bildung und gesellschaftliche sowie politische Teilhabemöglichkeiten. Menschen aus Zuwandererfamilien sind weiterhin systematisch benachteiligt, was mit einem erhöhten Risiko für Armut, weniger Wohnraum, schweren Krankheitsverläufen und Arbeitslosigkeit einhergeht.
Heißt im Klartext: Menschen mit Migrationsbiografie sind eher einkommensschwach, leben häufiger auf engem Raum und arbeiten oft in Berufen, bei denen das Abstandhalten und eine Homeoffice-Tätitgkeit nur sehr schwierig möglich ist.
Um dieser besorgniserregenden Entwicklung entgegenzusteuern, bedarf es eines gemeinsamen Dialogs anstelle von Ausgrenzung und vermeintlichen Schuldzuweisungen. Beispielsweise hätten eigens dazu ernannte Lotsen zur Klärung von häufig gestellten Fragen die Aufgabe, besonders benachteiligte Personengruppen aufzusuchen und sie anzusprechen. Derartige Kampagnen sind wichtig, wie Berichte von Migranten-Verbänden zeigen. Neben den auch in anderen Bevölkerungsgruppen vorhandenen Zweifeln an der Gefahr des Viruses kursieren denklogisch auch dort Erzählungen, die die Impfbereitschaft unter den Mitgliedern der Communitys senken könnten. Dem gilt es entgegenzuwirken.
Das Bestreben der AfD, bestimmte Teile der Bevölkerung in Zahlen zu erfassen und sodann durch diese Dehumanisierung in ein negatives Licht zu rücken, erinnert unweigerlich an die dunkelste Zeit in der deutschen Geschichte. Und dahin dürfen wir uns als freiheitlich-rechtliche Demokratie nie wieder hin bewegen.
Mit freundlichen Grüßen
Murat Kalmış
FDP-Fraktionsvorsitzender und Beigeordneter
Ihr Oberbürgermeister Kandidat
Delmenhorst /Niedersachsen/ Germany